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Element Uran

Philosophen im antiken Griechenland nahmen an, dass die Materie aus kleinsten, unteilbaren Teilchen besteht. Diese sogenannten Atome (von atomos = altgriechisch für unteilbar) wurden erst im 19. Jahrhundert zu einer, wenn auch noch umstrittenen wissenschaftlichen Hypothese. Erst 1938 realisierten Wissenschaftler, dass sich manche Atome sehr wohl spalten lassen. Und noch etwas entdeckten sie: Bei der Spaltung grosser Atome wird sehr viel Energie frei. Beim Uranatom kann der Spaltungsprozess so gesteuert werden, dass die auseinanderbrechenden Uranatome in einer Kettenreaktion immer weitere Uranatome spalten. Dieses Naturphänomen ist die physikalische Grundlage für die Wärme- und damit Stromproduktion in Kernkraftwerken.

Die Entdeckung von Uran

Element nach dem kurz zuvor entdeckten Planeten Uranus. Bereits im 19. Jahrhundert wurde Uran in Minen abgebaut und für das Färben von Glaswaren und Geschirr verwendet. 1896 entdeckte dann der französische Physiker Henri Becquerel, dass Uran radioaktiv ist – wie viele andere Stoffe auch –  und beim natürlichen Zerfall Strahlung abgibt. Die Einheit für die Aktivität eines radioaktiven Stoffs wurde deshalb Becquerel benannt.

Uran für Geschirrglasuren

Noch bis ins 20. Jahrhundert verwendete man Uran für Geschirrglasuren und das Färben von Glas. Die charakteristische Grünfärbung trägt den poetischen Namen «Annagrün».

Die Kernspaltung

Im Jahr 1938 erkannten die deutschen Chemiker Otto Hahn und Fritz Strassmann mithilfe der österreichisch-deutschen Physikerin Lise Meitner und deren Neffen Otto Frisch, dass Uran gezielt spaltbar ist. Es kann ohne grossen Energieaufwand in zwei oder mehr kleine Bruchstücke gespalten werden, wobei sehr viel Energie freigesetzt wird. Dieses neue Phänomen nannten Meitner und Frisch «Kernspaltung».

Entdecker der Kernspaltung

Lise Meitner und Otto Hahn in ihrem Labor im Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie in Berlin im Jahr 1913. (Bild: Archiv zur Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft)

Silbern glänzendes Schwermetall

Uran in reiner Form ist ein silbern glänzendes, weiches Schwermetall. Es ist das schwerste natürliche Element, das auf der Erde in grösseren Mengen vorkommt: Mit 18,97 Gramm pro Milliliter ist es rund 19 Mal schwerer respektive dichter als Wasser bei null Grad und fast doppelt so schwer wie Blei (11,3 g/ml). Innerhalb des Periodensystems der Elemente steht es an der Stelle 92. Sein Atomkern enthält demnach 92 positiv geladene Kernteilchen (Protonen). Umgeben ist der Kern von einer Hülle aus 92 negativ geladenen Elektronen.

Wie andere Schwermetalle – beispielsweise Blei – ist Uran giftig, wenn es vom Körper in grösseren Mengen aufgenommen wird. Doch auch hier gilt: Auf die Dosis kommt es an. Geringe Mengen sind für die Gesundheit von Mensch und Umwelt unbedenklich. Seit Urzeiten nehmen Menschen und Tiere radioaktive Substanzen wie Uran oder Kalium-40 über Nahrung und Trinkwasser auf. Deswegen sind wir alle leicht radioaktiv.

Ungefährliche Mengen

Auch Trinkwasser enthält öfters Spuren von natürlichem Uran, v.a. in alpinen Quellen, und ist sehr gut verträglich.

Kontrollierte Kettenreaktion

Der Reaktor eines Kernkraftwerks ist so gebaut, dass die Kernspaltung nur unter genau festgelegten Bedingungen ablaufen kann:

Ein Atomkern von Uran-235 fängt ein Neutron ein. Durch das zusätzliche Neutron wird der Kern instabil und bricht auseinander. Dabei entstehen zwei, manchmal auch drei kleinere Atomkerne – die sogenannten Spaltprodukte. Gleichzeitig werden Energie und zwei bis drei Neutronen freigesetzt. Diese können ihrerseits von weiteren Uran-235-Atomen eingefangen werden, die sich dann ebenfalls spalten. Voraussetzung ist allerdings, dass die mit hoher Geschwindigkeit aus dem Urankern geschleuderten Neutronen vorher stark abgebremst werden. Denn praktisch können nur langsame, sogenannt moderierte Neutronen eine Spaltung auslösen.

In einem Kernkraftwerk wird diese Kettenreaktion kontrolliert gesteuert: Wenn der Reaktor mit konstanter Leistung läuft, löst nach jeder Spaltung genau ein Neutron wieder eine neue Spaltung aus. Die überzähligen Neutronen werden von anderen Atomen eingefangen oder verlassen den Kernbrennstoff.

Einsatz von Leichtwasserreaktoren in der Schweiz

In den Leichtwasserreaktoren, wie sie die Schweiz einsetzt, bremst das Wasser im Reaktor die Neutronen und dient so der Aufrechterhaltung der Kettenreaktion. Das Wasser ist also Moderator und Kühlmittel zugleich. Fehlt das Wasser oder wird es zu heiss, sodass zu viele Dampfblasen entstehen, bleiben die Neutronen zu schnell und können keine weiteren Kernspaltungen auslösen. Die Kettenreaktion wird unterbrochen, die Energieabgabe des Reaktors geht zurück. Dies ist ein ganz wichtiges Sicherheitsmerkmal von Leichtwasserreaktoren.

Ganz abgeschaltet wird der Reaktor durch das Einfahren der Steuerstäbe, die freie Neutronen absorbieren. Allerdings muss die Nachzerfallswärme, die durch spontanen Zerfall der Spaltprodukte weiter entsteht, noch über Jahre abgeführt werden. Dies bedeutet, dass die Kühlung des Kernbrennstoffs jederzeit sichergestellt werden muss, um zu verhindern, dass der Reaktorkern nach dem Abschalten Schaden nimmt.

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Die Kernspaltung

Rohstoff Uran

Uran ist der Rohstoff für den Betrieb der Kernkraftwerke. Es kommt nicht nur überall in der Erdkruste, sondern auch in den Ozeanen in riesigen Mengen vor. In der Schweiz findet sich Uran vermehrt in den Alpen. Jeder Mensch enthält Spuren von Uran, ebenso wie unsere Umwelt und viele Mineralwasser. Seit Urzeiten leben wir mit Uran und Radioaktivität. Uran ist Natur.

In Uran steckt enorm viel Energie

Uran ist sehr energiedicht. Deshalb benötigt ein 1000-Megawatt-Kernkraftwerk wie jenes in Gösgen pro Jahr nur rund 20 Tonnen (1 Kubikmeter) angereichertes Uran, um rund 8,5 Milliarden Kilowattstunden Strom zu produzieren. Diese Menge Uran hätte volumenmässig leicht in einem Mittelklassekombi Platz. Um 20 Tonnen angereichertes Uran zu erzeugen (der Anteil Uran-235 wird von 0,7 auf bis zu 5 Prozent erhöht), werden etwa 200 Tonnen Natururan (10 Kubikmeter) benötigt.

Die fünf schweizerischen Kernkraftwerke erzeugen pro Jahr rund 25 Milliarden Kilowattstunden Strom. Wollte man diese Menge anders erzeugen, bräuchte man dazu:

  • 9’100’000 Tonnen Steinkohle, geliefert in 180’000 Eisenbahnwagen (Referenzanlage Voerde, DE)
  • 4’250’000 Tonnen Erdgas, geliefert über Pipelines von Tausenden von Kilometern Länge (Einsatz im Kombikraftwerk)
  • 220 Quadratkilometer Solarpanels; das würde einem Streifen von fast 700 Metern Breite auf der Strecke von Genf bis zum Bodensee oder der Fläche des Kantons Neuenburg entsprechen.
  • 5500 topmoderne Windkraftanlagen mit je zwei Megawatt Leistung und 4,5 Millionen Kilowattstunden Jahresproduktion an optimaler Lage (Referenzanlage Mont Croisin). Bei einem seitlichen Abstand von 250 Metern zwischen zwei Anlagen würde dies einer 5er-Reihe von Windrädern von Genf bis zum Bodensee entsprechen – wobei die allerwenigsten dieser Anlagen eine windtechnisch optimale Lage hätten.

Oder anders ausgedrückt: Aus Uran lässt sich sehr viel mehr Strom gewinnen als aus allen anderen Energieträgern. Was beispielsweise in einem Kohlekraftwerk volumenmässig in einer Stunde verfeuert wird, würde als Uran reichen, um alle Schweizer Kernkraftwerke ein ganzes Jahr zu betreiben.

3 bis 4 Brennstofftabletten

Der Kernbrennstoff Uran in der Form, wie er in den Kernkraftwerken zum Einsatz kommt. Drei bis vier solchen Tabletten versorgen einen Vier-Personen-Haushalt während eines Jahres.

Bezüglich Energiedichte ist Uran der absolute Spitzenreiter aller Energieträger.

Uran ist in der Natur weit verbreitet

Eine Tonne Gestein der Erdkruste enthält im globalen Durchschnitt 2–4 Gramm Uran. Damit kommt Uran gleich häufig vor wie die Metalle Zinn oder Wolfram, aber viel häufiger als Silber und rund 500 Mal häufiger als Gold. Wie viele andere Metalle ist das Uran in Gesteinen nicht in reiner Form enthalten, sondern als Uranerz in Verbindung mit anderen Elementen. Über 200 solche natürliche Uranminerale sind bekannt. Das als Pechblende bezeichnete, uranhaltige Mineral Uraninit kommt auch in der Schweiz vor und ist bei Mineraliensammlern begehrt.

Wo die Erdkruste besonders viel Uran oder Thorium enthält, ist in der Regel eine erhöhte Strahlung messbar – nicht vom Uran oder Thorium, sondern von deren weit radioaktiveren Zerfallsprodukten. Sei es im Engadin, im Schwarzwald oder im indischen Kerala, wo diese natürliche Strahlung bis zu 20 Mal höher ist als im Schweizer Mittelland – überall leben Menschen wie an jedem andern «normalen» Ort.

Pechblende (Uraninit)

Pechblende mit gelben und orangen Verwitterungsprodukten, die ebenfalls Uran enthalten (Bild: Naturhistorisches Museum Bern, Peter Vollenweider)

Zahlreiche Förderländer und Quellen

Anders als Erdöl kommt abbauwürdiges Uran in zahlreichen Ländern vor. Die gegenwärtig grössten Förderländer Kasachstan, Kanada und Australien erzeugten im Jahr 2012 zusammen 64 Prozent der weltweiten Produktion. Aber auch die USA, Russland und Brasilien sowie afrikanische Länder wie Niger, Namibia und Südafrika bauen grössere Mengen Uran ab.

Aus Minen gefördertes Uran deckte im Jahr 2012 ungefähr 85 Prozent des weltweiten Bedarfs von knapp 68 000 Tonnen. Der Rest stammte aus Lagerbeständen oder aus der Abrüstung. Seit dem Ende des Kalten Krieges werden die militärischen Uranvorräte der beiden grössten Atommächte Russland und USA abgebaut. Dabei wird waffenfähiges Material sehr stark verdünnt (abgereichert), sodass es nicht mehr waffenfähig ist und als Brennstoff für Kernkraftwerke verwendet werden kann. Mit dieser sinnvollen Weiterverwertung wertvoller Rohstoffe unterstützen Kernkraftwerke die Abrüstung.

Ein weiterer Teil des Urans für Kernkraftwerke stammt aus der Wiederaufarbeitung (Recycling) von ausgedientem Kernbrennstoff oder der erneuten Anreicherung von Anreicherungsrückständen. Recycling ist auch in der Kernenergie ein sinnvoller Prozess, der im Hinblick auf Ressourcenschonung und nachhaltige Entwicklung von verschiedenen Ländern genutzt wird. In der Schweiz gilt allerdings seit 2006 ein zehnjähriges Moratorium für die Wiederaufarbeitung. Die ausgedienten Brennelemente werden jedoch sicher aufbewahrt und können je nach Uranpreis und politischer Entwicklung später der Wiederaufarbeitung zugeführt werden.

Die Schweizer Kernkraftwerke beziehen ihren Kernbrennstoff auf dem Weltmarkt, vor allem aus Kanada sowie aus Russland/Kasachstan. Dabei handelt es sich um Uran, das entweder direkt oder über sogenanntes Blending angereichert wird. Beim Blending wird Uran mit einem geringen Gehalt an Uran-235, zum Beispiel aus der Wiederaufarbeitung, mit stärker angereichertem Uran gemischt, um einen für die Nutzung im Kernkraftwerk passenden Anreicherungsgrad zu erreichen.

Die Uranreserven reichen noch sehr lange

Gesicherte Angaben über die Gesamtmenge der abbauwürdigen Uranvorkommen auf dem Festland gibt es keine, da viele geologisch interessante Gebiete noch gar nicht erkundet worden sind. Auch ändert sich die Einschätzung, was abbauwürdig ist, je nach Marktpreis und Technologieentwicklung. Zahlen zu den globalen Uranreserven beziehen sich deshalb immer auf die heute bekannten Lagerstätten und auf einen bestimmten Uranhandelspreis, zu dem die Vorkommen wirtschaftlich abbaubar sind.

So ergeben sich für 130 Franken pro Kilo Uran (der Uranpreis im Jahr 2012) bekannte konventionelle Uranvorkommen mit Reserven für 60 Jahre, gemessen am heutigen Verbrauch. Für den Preis von bis zu 260 Dollar pro Kilo Uran würden sich auch Vorkommen erschliessen lassen, die aufwändiger im Abbau sind. Dann reichen gemäss der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung der Industrieländer (OECD) die bekannten Uranreserven für die nächsten 100 Jahre. Dazu kommen die noch vermuteten, unentdeckten Uranreserven, die für geschätzte 250 Jahre reichen.

Fossile Ressourcen zur Energiegewinnung zu verbrennen, beraubt zukünftige Generationen wertvoller endlicher Rohstoffe, die in Industrie, Medizin und Landwirtschaft unverzichtbar sind. Uran hingegen bietet sich als Energiequelle geradezu an, denn es ist kaum anderweitig nutzbar. Es ist äusserst ausgiebig – die Brennstoffkosten machen nur einige wenige Prozent der Gestehungskosten von Atomstrom aus. Deshalb hätte auch ein deutlich höherer Uranpreis kaum Auswirkungen auf die Strompreise. Und die weltweiten Uranreserven reichen noch sehr weit, selbst bei einem weltweiten Ausbau der Kernenergie. Das bedeutet auch in Zukunft eine hohe Versorgungssicherheit bei tiefen und preisstabilen Kosten.

Uranbergbau mit Rücksicht auf Mensch und Natur

Im Bergbau fällt Uran oft als Nebenprodukt bei der Gewinnung anderer Rohstoffe wie Kupfer, Silber, Gold oder Vanadium an. Im Jahr 2012 wurden rund sieben Prozent des Urans so gefördert. Weitere 28 Prozent wurden im Untertagebau, also in unterirdischen Stollen, erschlossen, 20 Prozent in offenen Gruben an der Erdoberfläche. Der grosse Rest von 45 Prozent des Urans wird heute durch sogenannte In-situ-Laugung gewonnen. Dabei löst man mittels einer durch Bohrlöcher gepumpten Flüssigkeit das Uran aus dem umgebenden Gestein heraus.

Die grössten und erträglichsten Minen der Welt befinden sich heute in Kanada (McArthur River, Untertagebau), in Australien (Olympic Dam, Nebenprodukt im Untertagebau), in Niger (Arlit, Obertagebau) und in Kasachstan (in situ). Die im Uranabbau bedeutendsten Unternehmen sind die kasachische KazAtomProm, die französische Areva und die kanadische Cameco.

Das Umweltbewusstsein der Minengesellschaften ist heute allgemein hoch. Die Belastungen für Umwelt und Mitarbeiter werden so klein wie möglich gehalten. Die Minenarbeiter im Untertagebau werden speziell geschützt. Je nach Einsatzort kommen Atemschutz, Anzüge und ferngesteuerte Geräte zum Einsatz. 

Alle Uranminen stehen unter nationaler behördlicher Aufsicht. Viele wenden die internationale Umweltmanagementnorm ISO 14001 an und sind entsprechend zertifiziert. Sie verpflichten sich damit, Mensch und Umwelt vor schädlichen Einflüssen zu schützen und die Naturlandschaft nach Ende des Minenbetriebs wiederherzustellen. Ebenso ist der Prozess zur Zertifizierung des sozialen Verantwortungsbewusstseins vieler Minengesellschaften im Gang. Auch die meisten Kernkraftwerke sind gemäss ISO 14 001 zertifiziert. Damit verpflichten sie sich unter anderem, bei ihren Lieferanten auf die Umweltverträglichkeit zu achten.

Sorgfältige Abfallbehandlung

Beim Uranbergbau entstehen die bei jedem Erzabbau üblichen Erzrückstände. Zusätzlich fällt Strahlung aus den natürlichen Tochterprodukten von Uran an. Auch feste Abfälle aus dem Abbau und der Verarbeitung des Erzes sind mit radioaktivem Thorium, Radium und Radon durchsetzt. Deshalb wird mit den Abfällen umsichtig umgegangen.

Die Abfallgesteine, auch Tailings genannt, werden sortiert, die grösseren Stücke entweder in Haufen gelagert oder zurück in die Mine gebracht. Der Schlamm aus der Verarbeitung wird in Becken gepumpt, die mit Wasser bedeckt sind, um allfällige Strahlung abzuschirmen. Bei der Stilllegung werden diese Becken mit Lehm und Erde aufgefüllt, sodass die Strahlung an der Oberfläche wieder auf das Umgebungsniveau sinkt.