21.06.2005: Massnahmenpaket zur Schadensbehebung am Generator steht
Medienkonferenz 21. Juni 2005, Zusammenfassung der Referate
(kkl) – In Kenntnis der Ursachen schreitet die Behebung des technischen Defekts am Generator im nicht nuklearen Teil des Kernkraftwerks Leibstadt (KKL) zügig voran. Aufgrund des Zeitgewinns bei der Produktion der Ersatzteile und der reibungslosen Abwicklung der Instandsetzung steht das Wiederanfahren weiterhin in der ersten Hälfte September in Aussicht. Bis dann werden auch die reguläre zweigeteilte Jahresrevision und zusätzliche Instandhaltungspakete abgearbeitet sein.
Seit dem Ereignis am 28. März 2005 laufen im Kernkraftwerk Leibstadt mehrere Aktivitäten in einzelnen Arbeitspaketen ab:
- Schadensanalyse des Generators zusammen mit dem Hersteller
- Definition des Reparaturpakets zur vollständigen Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit des Generators
- Reguläre Jahresrevision mit dem Brennelementwechsel mit Arbeiten im April und im August
- Zusätzliche Revisionsarbeiten, die aufgrund des langen Stillstandes vorgezogen werden.
Umfassende Arbeitsprogramme
Kraftwerksleiter Mario Schönenberger machte auf den Umstand aufmerksam, dass diese Arbeiten eher mehr Leute binden als bei regulärem Betrieb. Ein Kernkraftwerk im Stillstand wird genauso sorgfältig überwacht wie zu Produktionszeiten. Ein Grossteil der Mitarbeitenden ist auf Grund ihrer Funktion so oder so im Einsatz wie beispielsweise die Betriebswache, das Betriebspersonal im Kommandoraum oder verschiedene Dienstleistungseinheiten. Auf der anderen Seite sind durch die Revisionsarbeiten viele Spezialisten der Maschinen- und Elektrotechnik gefordert. Die Vielzahl kleinerer und grösserer Arbeiten erheischt auch eine sorgfältige Planung seitens des Strahlenschutzes. Die Informations- und Freigabeprozesse mit der Aufsichtsbehörde HSK (Hauptabteilung für Sicherheit von Kernanlagen) sind ebenfalls intensiv. Das KKL hat eine paradoxe Situation: «Gerade weil wir keinen Strom produzieren, gibt es viel zu tun.»
Generator wieder fit für zukünftigen Einsatz
Erfreulicherweise gehen die Reparaturarbeiten am Generator besser wie ursprünglich geplant voran. Weil unmittelbar nach dem Vorfall das Ausmass der Schädigung noch nicht bekannt war, mussten damals die Aussagen über die Reparaturdauer mit grossen Unsicherheiten angegeben werden. Erst nach dreiwöchiger Demontage war der Schadensort zur genaueren Inspektion erreicht. Die parallel beim Hersteller angelaufene Ursachenforschung stützte sich auf wenige Befunde und viele Fragen blieben zunächst offen. Heute steht fest, dass der Generator vollumfänglich repariert werden kann und seine Zuverlässigkeit wieder vergleichbar ist mit jener während des störungsfreien Betriebs in den vergangenen 20 Jahren.
Der technische Defekt ist laut Peter Bürgy, Abteilungsleiter Elektrotechnik, eindeutig auf eine Wärmeausdehnung von metallischen Pressplattensegementen im Stator des Generators zurückzuführen. Nachrechnungen mit modernsten Methoden sowie die Analyse der geschädigten Stellen im Materiallabor zeigen, dass der Spalt von 0.6 Millimeter unter den zum Zeitpunkt des Schadens vorherrschenden Betriebstemperaturen zu klein war. Es kam zum Kontakt der Segmente mit der Folge des Kurzschlusses und der Aufschmelzung der Kontaktstelle.
Eine Verkettung von Ursachen
Zu den starken Wärmedehnungen aufgrund der besonderen Temperaturbelastung führten drei Hauptursachen, die in Kombination auftreten mussten, um zum Schaden zu führen.
Vorschnelle Hinweise auf die Leistungserhöhung als die massgebende Ursache erweisen sich nicht als tragfähig. Zwar wird der Generator seit Herbst 2002 stärker beansprucht, aber die Belastung entspricht seiner Auslegung und die Kühlung wurde für die gefahrene Leistung angepasst. Sie hatte bislang keine Probleme zur Folge wie die umfassende Inspektion noch im August 2004 auch bestätigte.
Im August 2004 wurde während der Jahresrevision der Originalrotor nach einer zehnjährigen Pause wieder eingesetzt. Seine leicht andersartige Bauweise führte zu geänderten magnetischen Feldern und insbesondere im Bereich der Pressplatten zu einer Erhöhung der Temperatur.
Es brauchte noch einen weiteren Grund, um eine Temperatur zu erreichen, welche die Platten so weit dehnte. Es war die spezielle Belastung in der Nacht zum Ostermontag. Der Generator wurde dazu verwendet, das Netz zu stabilisieren. Er musste dafür, laienhaft gesagt, Spannung vernichten. Der Generator wurde kapazitiv gefahren, um Blindleistung aus dem Netz aufzunehmen. Dies ist nicht unüblich. Grosse Generatoren wie derjenige im KKL sind auch dafür gebaut.
Massnahmen werden umgesetzt
Die Kombination aller drei temperatursteigernden Wirkungen zog letztlich den Schaden nach sich. Der eingetretene Defekt ist dennoch keine Temperaturüberlastung des Generators an sich (beispielsweise für die Isolation). Ein grösserer Spalt zwischen den Pressplattensegmenten hätte nicht zum metallischen Kontakt und zum Vorfall geführt.
Die Beschreibung des Schadensablaufes und seiner Ursachen liefert die geeigneten Massnahmen zur Behebung. Es wurden zwei neue Pressplatten mit einem neuen Spaltmass von 2.0 Millimetern gefertigt. Die Ersatzteile, jedes rund sieben Tonnen schwer, wurden mit Lasertechnik präziser geschnitten und sowohl beim Hersteller wie nach der Anlieferung intensiv auf Qualitätsmängel untersucht. Selbst nach dem Einbau sind weitere Tests durchgeführt worden, um bei jedem Arbeitsschritt die Qualität zu überprüfen.
Als weitere unterstützende Massnahme wird das bereits vorhandene Monitoringsystem des Generators weiter ausgebaut. Aus heutiger Sicht hätte zwar kein System den Schaden mit Sicherheit vorhersagen können, aber mit Blick auf einen möglichst störungsfreien und wirtschaftlichen Betrieb testet KKL alle Systeme, die zusätzliche Hinweise auf Unregelmässigkeiten geben können.
Schliesslich wird der Ersatzrotor mit seiner günstigeren Wickelkopfgeometrie nach seiner Revision beim Hersteller wieder eingesetzt.
Sinkt die Stromerzeugung des Kernkraftwerks?
Der zulässige Betrieb mit dem neu definierten "Betriebsfenster" (Leistungsdiagramm) wird am laufenden und belasteten Generator während der Inbetriebsetzung endgültig bestätigt. Der Generator wird auch künftig auf der bisherigen Nennleistung Strom erzeugen. Die Grenze der aufzunehmenden Blindleistung wird aufgrund von Messungen festgelegt.
Peter Bürgy wies bezüglich Zuverlässigkeit des Generators zudem darauf hin, dass dieser total demontiert worden ist, auch um ihn bis ins Detail zu säubern. Alle Arbeiten werden durch die Herstellerfirma Alstom ausgeführt. Die Erfahrungen aus vergleichbaren Umbauprojekten (Werkzeuge, Abläufe, Methoden) sind von Beginn weg eingeflossen. Das Restrisiko, erst bei der Wiederinbetriebnahme noch einen Montagefehler zu finden, wird ähnlich gering wie bei einer Neuproduktion eingeschätzt.
«Revision Plus»
Geplant war sie wie üblich für August, durchgeführt wurde sie aber zum grossen Teil im April. Die Rede ist von der Jahres-Hauptrevision mit dem Wechsel von 132 der 648 Brennelemente. Die langjährige Erfahrung, die generalstabsmässig eingeleitete Planung und die gute Zusammenarbeit mit den meist langjährigen Partnern machten eine Anpassung der geplanten Arbeiten möglich. Die Revision besteht hauptsächlich aus einer Neubeladung des Kerns. Dieser wurde auf den neuen Betriebszyklus des Reaktors angepasst und wird, nach der Nachrechnung und Freigabe durch die HSK, im August endgültig beladen werden.
Der Start nach dem langen Stillstand wird mit gezielt ausgewählten Tests und Prüfungen vorbereitet. So werden einerseits Stillstandskonservierungen wieder beseitigt und zusätzliche Prüfungen von einzelnen Komponenten wie Ventilen, Dichtungen oder Schaltern durchgeführt. Anderseits kann die Betriebsmannschaft auf ihre langjährige Erfahrung zählen. Sie nutzt zudem den werkseigenen Simulator zur Vorbereitung auf das Wiederanfahren.
Professionelle Projektabwicklung
Das Projekt GERDA (Generator-Erdschluss-Abschaltung) und die Revision Plus unterliegen einer strengen Kontrolle bezüglich Qualität, Zeiten, Personaleinsatz und Kosten. Beim ambitiösen Zeitplan konnte ein Vorsprung erreicht werden. Das Wiederanfahren in der ersten Hälfte des Septembers ist derzeit realistisch. Kraftwerksleiter Mario Schönenberger richtete einen Dank an die Lieferfirma Alstom, an alle anderen an den Arbeiten beteiligten Unternehmen und auch an die eigenen Mitarbeitenden.
Im Zentrum steht die Qualitätssicherung mit spezifischen Programmen. Abgesehen von der Nutzung der eigenen Kompetenz und jener der Lieferfirma führt KKL laufend Gespräche mit externen Beratern. Einbezogen wird weiter das weltweit gesammelte Wissen von Experten und (Kern)Kraftwerksbetreibern über allenfalls vergleichbare Generatorschäden.
Das Partnerwerk-Konzept bewährt sich
Dr. Manfred Thumann, CEO Kernenergie bei der NOK und KKL-Geschäftsführer, sieht das beim Kernkraftwerk Leibstadt praktizierte Partnerwerk-System bestätigt. Sieben Eigentümer verkraften den Schaden besser als ein einzelner. Alle haben mit ihren Mitteln in ihren Gebieten mitgeholfen, die Versorgung mit Strom so sicherzustellen, dass kein Konsument betroffen war; weder durch höhere Stromtarife noch durch Sekundärschäden wie sie beispielsweise im Falle eines längeren Stromausfalles auftreten (Stichwort: aufgetaute Kühltruhe).
Die Kosten für den Primärschaden werden sich auf rund 12.5 Mio. CHF belaufen. Zusätzliche Investitionen wie für erweiterte Überwachungssysteme können mit rund 1 Mio. CHF beziffert werden. Beizufügen ist, dass für die angesprochenen zusätzlichen Instandhaltungsarbeiten in anderen Teilen der Anlage weitere rund 6 Mio. CHF bewilligt worden sind.
Dr. Manfred Thumann bestätigte die früher getätigte Aussage, dass die sieben Eigentümer pro Tag für das Werk auch im Stillstand 1.3 Mio. CHF aufzuwenden haben. Die Folgekosten in Zusammenhang mit Ersatzbeschaffung des Stroms sind je nach Eigentümerfirma und ihrer Leibstadt-Beteiligung unterschiedlich. Einige Firmen wie beispielsweise EGL und CKW haben mit Gewinnwarnungen reagiert.
Frage der Verfügbarkeit und nicht der Sicherheit
Abschliessend stellte Dr. Manfred Thumann fest, dass der Generatorschaden zwar ein für die Wirtschaftlichkeit und Stromversorgung wesentlicher und grosser Schaden darstellt, aber keiner für die Sicherheit war und ist. Alle Sicherheitseinrichtungen zielen darauf ab, bei technischem und/oder menschlichem Versagen selbständig und automatisch die Anlage kontrolliert herunter zu fahren und abzustellen. Diese Anforderung wurde in allen Punkten zuverlässig erfüllt. Damit bleibt der Generatorschaden was er ist: Ein zwar teurer, aber nicht ungewöhnlicher technischer Defekt, wie er in jedem Wasserkraftwerk oder auch Windrad auftreten könnte.